Mit einer Hörbehinderung leben

Eine Hörbehinderung sieht man nicht – man muss darüber sprechen!

Ab wann ist man Hörbehindert?

Menschen mit einer Hörbehinderung stellen eine der größten Behindertengruppe dar. Nach Angaben des Deutschen Gehörlosen-Bundes e.V. leben ca. 80.000 Gehörlose allein in Deutschland und laut Deutschem Schwerhörigenbund e.V. gibt es bundesweit 14 Millionen Hörbehinderte, davon sind mehr als eine Millionen als hochgradig schwerhörig eingestuft (vgl. Deutscher Gehörlosenbund 2012). Aufgrund des demografischen Wandels werden insbesondere immer mehr ältere Menschen hörbehindert, die die Gebärdensprache nicht beherrschen. Dies führt zu Problemen bei der Kommunikation. Der Arbeit dieser Behindertenverbände ist es zu verdanken, dass Menschen mit Hörbehinderung in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen werden.

Aber Hörbehinderung ist nicht gleich Hörbehinderung. Die jeweilige Auswirkung ist unmittelbar verknüpft mit ihren Ursachen, dem Zeitpunkt ihres Eintretens, dem Grad der Hörbehinderung und mit dem Lebensumfeld. Die Übergänge zwischen Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit sind fließend. Aus diesem Grund bezeichnet der Deutsche Gehörlosenbund Personen als gehörlos „[…] die hörbehindert sind und vorwiegend in Gebärdensprache kommunizieren“ (Deutscher Gehörlosenbund 2012).

Menschen, die gehörlos sind, haben keinen Zugang zu akustischen Informationen und keine Voraussetzung, Lautsprache auf natürlichem Wege zu erlernen (vgl. Landesverband der Gehörlosen Brandenburg e.V. 2009). Ihr eigenes Sprechen können sie nicht über das Gehör kontrollieren und sie haben keine Möglichkeit, mit Hörenden, und das sind fast alle Menschen in ihrer Umgebung, zu kommunizieren. Sie finden sich daher in Gehörlosengemeinschaften zusammen, wo sie in Gebärdensprache kommunizieren.

Schwerhörige Menschen haben eine wesentliche Beeinträchtigung in der auditiven Aufnahme und Verarbeitung, grundsätzlich ist es ihnen aber möglich, mit Hilfe von Hörgeräten Lautsprache aufzunehmen und eigenes Sprechen zu erlernen. Die Gebärdensprache wird von diesen Personen häufig noch abgelehnt oder nur in Form der Lautsprachebegleitende Gebärde eingesetzt (vgl. Deutscher Gehörlosenbund, 2012). Zu den hörbehinderten Menschen im weiteren Sinne gehören auch schwerhörige und ertaubte Menschen mit CI (Hörprothesen=Cochlear-Implantat).

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Verständnis

Häufig gestellte Fragen

Um mit einem gehörlosen Menschen Kontakt aufzunehmen, ist es wichtig, Blickkontakt herzustellen. Ist das nicht möglich, zum Beispiel, weil der gehörlose Mensch mit dem Rücken zugewandt steht, ist ein Anfassen an der Schulter weit verbreitet und völlig normal. Sitzt man gemeinsam an einem Tisch, hilft oft ein leichtes Klopfen auf den Tisch, um Blickkontakt herzustellen, da die Tischplatte dann leicht vibriert.

Für eine Unterhaltung ist Blickkontakt enorm wichtig. Wer keine Gebärdensprache spricht, spricht einfach ganz normal in ruhigem Tempo und unterstützt das Gesagte ganz natürlich durch Gesten, Mimik und Körpersprache, denn Gehörlose sind es gewohnt, mit Menschen zu kommunizieren, die keine Gebärdensprache sprechen. Wenn Gehörlose sprechen klingt das oft erstmal ungewohnt, denn diese Menschen haben nie gehört, wie es klingt zu sprechen.

Auch wenn es immer wieder Menschen gibt oder zu geben scheint, die von den Lippen das Gesagte ablesen können, so trifft für den Großteil der Gehörlosen zu, dass nur etwa 30% des Gesagten von den Lippen abgelesen werden kann, die restlichen 70% ergeben sich aus dem Zusammenhang. Deshalb ist es wichtig, das Gesagte so gut wie möglich mit Gebärden zu unterstützen.

Eine Besonderheit in der Gebärdensprache, die sofort auffällt, sind die Gebärdennamen. Um nicht jedes Mal den Namen der Person, über die man spricht, buchstabieren zu müssen, hat die Person eine Namensgebärde, die allen am Gespräch beteiligten Personen klar ist. Oft werden hier sofort sichtbare Äußerlichkeiten aufgegriffen: Ein Gebärdenname sieht zum Beispiel so aus, dass man mit dem Zeigefingerüber über die Oberlippe streift, wenn sich dort ein Bart befindet. Auch der Anfangsbuchstabe des Namens ist häufig die Namensgebärde.

Die Deutsche Gebärdensprache kennt zahlreiche Gebärden und es kommen ständig neue hinzu, doch manchmal muss man Begriffe und Namen einfach buchstabieren. Dazu gibt es ein Fingeralphabet, was leicht zu lernen ist und die Kommunikation sehr erleichtert.

E-Mail, SMS, WhatsApp und allgemein die Sozialen Medien werden von den Gehörlosen, die lesen und schreiben können, sehr gern zur Kommunikation genutzt. Die meisten Gehörlosen können lesen und schreiben, wenn auch teilweise die Grammatik in ihrer Schriftsprache etwas anders ist, was daran liegt, dass die Deutsche Gebärdensprache eine andere Grammatik als die Lautsprache hat.

Wenn Gehörlose sich treffen, fragen sie einander meist zuerst, woher sie kommen. Denn die Deutsche Gebärdensprache hat regionale Unterschiede, genau wie die Deutsche Lautsprache. In Bayern spricht und gebärdet man anders als in Hamburg. Und im Ausland sowieso.

Gehörlose können die Untertitel einschalten, dadurch können Informationen gefiltert werden. Allerdings haben ganz viele Filme leider keine Untertitel. Zum Glück gibt es aber Nachrichtensendungen mit Gebärdensprache und natürlich auch das Internet, so dass Gehörlose sich gut informieren können.

Für Kinder gibt es zum Beispiel Gebärden DVDs, zum Beispiel von „Petterson und Findus“, „Kasimir“, „Der kleine Eisbär“ und „Der Regenbogenfisch“. Auf den DVDs wird eine Seite wie im Bilderbuch gezeigt und dazu wird der Text vorgelesen und gebärdet.

Es gibt unterschiedliche Grade von Schwerhörigkeit bis hin zur absoluten Gehörlosigkeit. Viele Schwerhörige nutzen Hörhilfsmittel, wie zum Beispiel Hörgeräte. Bei gehörlosen Menschen kann ein Cochlear Implantat dazu beitragen, dass sie Töne wahrnehmen, denn ein Cochlear Implantat macht aus einem gehörlosen Menschen keinen hörenden Menschen, aber je nach Ursache der Gehörlosigkeit kann es helfen, die Lautsprache zu verstehen und selbst anzuwenden.

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist eine eigene Sprache mit einer eigenen Grammatik. Oft wird diese als „Zeichensprache“ bezeichnet, das kränkt aber viele Gehörlose und wird dem komplexen System der Gebärdensprache nicht gerecht. Der Begriff „taub“ war ebenfalls lange Zeit verpönt, das ändert sich aber gerade wieder. Gehörlose wählen im Gespräch die Bezeichnung, was Ihnen lieber ist: „taub“ oder „gehörlos“ oder „hörbehindert“. Gehörlose lehnen den Begriff „Taubstumm“ rigoros ab, denn „stumm“ sind diese Menschen ganz gewiss nicht.

Tipps im Umgang mit Gehörlosen

  • Vor dem Ansprechen den Gehörlosen auf die Schulter oder den Arm tippen
  • Um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, gibt es ein paar Möglichkeiten, die je nach Situation sinnvoll sind:
    • Arm bewegen
    • Auf den Tisch klopfen
    • Mit dem Fuß auf den Boden stampfen
    • Licht ein- und ausschalten
  • Den Gehörlosen extra begrüßen. Es kann mal vorkommen, dass er die hereinkommenden Arbeitskollegen nicht bemerkt hat.
  • Den Gehörlosen während des Gesprächs direkt anschauen, damit er von den Lippen ablesen kann
  • Normal sprechen (nicht lauter werden) – ohne Stimme geht auch
  • Deutlich und nicht zu schnell sprechen
  • 70 cm Abstand halten, um einen optimalen Blickwinkel zum Lippen ablesen zu ermöglichen
  • Es muss genügend Licht auf das Gesicht des Gesprächspartners fallen
  • Gegenlicht vermeiden, da ihr Gesicht im Schatten schlecht zu erkennen ist und der Gehörlose von der Sonne geblendet ist
  • Beim Bart darauf achten, dass er den Mund nicht bedeckt
  • Nicht mit Zigarette und Kaugummi im Mund sprechen, sonst ist das Mundbild verzerrt
  • Auf Themen hinweisen, damit der Gehörlose dem Gespräch besser folgen kann